Blog #14 – Vom Haxenhaus in Köln bis zum Deutschen Eck in Koblenz

Alles joot?

In den Blogs der letzten Wochen hielten wir uns im mittelalterlichen Köln auf und erfuhren, wie die Einwohner von Köln, die Handwerker in deren Organisationen und Kammern, die Kaufleute in ihrer Gilde und die bürgermeisterliche Verwaltung, die Entwicklung und Geschicke der Stadt bestimmten.

 Mal für den Erzbischof, mal gegen den Erzbischof und dann mal wieder mit dem Erzbischof, bis zu dem Punkt, an dem Köln als einer der ersten deutschen Städte eine freie Stadt und von seinen Bürgern regiert wurde.

Damals wie heute gelangten Einflüsse, Ideen und Pläne von außerhalb, aus anderen Ländern, aber auch aus der unmittelbaren Umgebung in das alltägliche Leben nach Köln. Unaufhaltbar war besonders die Übermittlung von Geschmäckern und Rezepten zur Zubereitung von Speisen aller Art. Die Altstadt von Köln war durch den riesigen Umschlag an Gütern eine Hochburg für den Austausch von Spezialitäten aus aller Welt. Besonders in den Wirtshäusern am Hafen.

Als Beispiel genoss und genießt die rheinische Bratwurst bis in unserer Tage einen guten Ruf, den Ruf als schmackhafter Botschafter der kulinarischen Gastlichkeit.

Machen wir nun einen Sprung von heute zurück in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Anfang der 50er Jahre begann langsam das Grauen des 2. Weltkrieges zu verblassen. Die Menschen konnten sich endlich wieder um ihre eigene Versorgung und den Aufbau ihrer zerstörten Häuser kümmern.

In den ländlichen Gebieten rund um Köln gehörte es als fester Bestandteil der Versorgung mit Lebensmitteln dazu, ein eigenes Schwein im Stall zu mästen. Wenn dann im November das Schwein geschlachtet wurde, war dies ein Fest für die ganze Familie. In der Winterzeit war dann reichlich Fleisch und Wurst auf dem Tisch. Somit war der Weihnachtsbraten gesichert.

Zu dieser Zeit lebte in Esch, ein Dorf nahe Elsdorf im Rheinland, ein Metzger und Hausschlachter mit einem bemerkenswerten Namen. Er hieß eigentlich Wilhelm Esser, wurde aber von allen „Löve Will“ genannt.

Der Ursprung des Namens kam von der Überlieferung, dass die Mutter von Löve Will gebürtig aus einem bekannten Haus im Nachbardorf Oberembt stammte.

Nämlich aus der Löv. Dieses Haus ist heute das einzige erhaltene Laubenhaus in Nordrhein-Westfalen. Die „Löv“ diente seit hunderten von Jahren mit ihrer überragenden Laube als Poststation.

Löve Will war ein gefragter Metzger und führte im Umkreis von Esch mehrere Hausschlachtungen pro Woche durch. Der Ablauf dabei hatte einen gleichbleibenden Rhythmus. Am ersten Tag wurde das Schwein geschlachtet. Am zweiten Tag wurde gewurstet.

Im strammen Alter von fünf Jahren war es für mich so weit. Ich, sein Patensohn, durfte Löve Will beim Schlachten und Wurstmachen helfen. Zum Wurstmachen stellte er mich einfach auf einen Stuhl, direkt vor der Kurbel der Wurstmaschine und sagte:

 „Dri Jong, dri, Jong, äver nit ze schnell, nit zu fest!“

So brachte er mir bei, wie man frische Bratwurst macht.

Soweit die Erinnerung aus der Zeit der Schlachtfeste in Esch, Angelsdorf, Niederembt, Frankeshoven, Oberembt, Giesen, Berndorf, Escherbrück, Elsdorf  und Umgebung.

Dann kam der Tag, als ich das Haxenhaus in Köln am Rhein übernahm, um festzustellen, dass ich während meiner Tätigkeit als Hotelmanager in der Karibik von mehr als zehn Jahren den Genussgeschmack meiner Landsleute verpasst hatte. Die in der karibischen Zeit so stark vermissten Gerichte, mit denen die Omas und die Mütter uns lebenslang verwöhnt hatten, waren der mediterranen Küche, dem Olivenöl, den Fussili´s, Penne´s und der Pizza gewichen.

Himmel & Ääd, Panhas, Milchreis mit Zimt waren absolut out.

Die Bratwurst spielte keine Rolle mehr. Die Bratwurst, die noch so lebhaft in meiner kindlichen Erinnerung gegenwärtig war.

Im Gegensatz zu den deutschen Gästen, die dabei waren, kulinarisches Italienisch und Griechisch zu lernen, fragten uns die zahlreichen Besucher aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Groß-Britannien und den USA.

„Do you have the German bratwurst?“

Da Löve Will zu der Zeit leider schon im Himmel war, fragte ich deshalb meine Tante nach der Rezeptur der begehrten Bratwurst. Nur wenige Tage später begannen wir in der Küche vom Haxenhaus, nach dem Original-Rezept von Löve Will meterweise die Bratwurst zu machen. Bis zum heutigen Tag.

Auf unserer Speisenkarte bieten wir die Bratwurst als ½ und als 1 Meter lange Bratwurst an. Den fünfunddreißig Jahre langen Rückblick im Auge und den entsprechend Anteil, den wir der verzehrten Bratwurstmenge zuschlagen müssen, erreichen wir (haltet Euch fest) eine Bratwurstmeter-Entfernung für eine Strecke vom Haxenhaus in Köln bis zum Deutschen Eck in Koblenz.

Wenn das nicht Grund genug ist, das familiäre Andenken an Löve Will in Ehren zu halten.

Und wir werden ihn ehren:

In Erinnerung an ihn wird der Bürgermeister von Elsdorf, Herr Andreas Heller, am Donnerstag, dem 16.11.2023 um 17:00 Uhr ein Porträt von Löve Will an der Fotowand im Haxenhaus anbringen.

Bis nächsten Freitag:

da kann ich erzählen, welche Furore die Bratwurst von Löve Will weltweit gemacht hat.

Bis dann

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