Alles joot?
Majestätisch thront er auf einem extra für ihn angefertigten Sockel, und…
Er war vor uns in Cologne.
Er hat vieles mitgemacht.
Er ist mit uns in der Flut von 1993 abgesoffen.
Er hat alles überlebt.
Der Schrank.
Als die pandemiebedingte Schließung des Haxenhauses uns zum Nichtstun verdammte, bekamen aufgeschobene Reparaturen eine Priorität.
Unter anderem sollte auch der Restaurant-Schrank eine Pflegebehandlung erfahren.
Der empfohlene Gutachter und Restaurator für das älteste und größte Möbelstück stand vor unserem Schrank und bedankte sich mit leuchtenden Augen für den Restaurierungsauftrag.
„Wissen Sie? Der Schrank stammt meines Ermessens aus Frankreich und ist im Stil der Renaissance gefertigt.
Die Schnitzereien sind extrem fein und die vier, das Oberteil tragenden weiblichen Sphinxen erinnern stark an Napoleons „Retour d’ Egypte“.
Die stimmige Architektur und die hochwertige Ausführung machen dieses Möbel zu einem einzigartigen historischen Kunstwerk. Absolut fantastisch!“
„Wie lange wird es dauern, bis Sie das gute Teil restauriert haben?“ fragten wir ihn.
„Also, guter Mann, das geht nicht von heute auf morgen. Zu dieser, ich muss zugeben, schönen und ehrenvollen Aufgabe brauchen wir mindestens sechs bis sieben Wochen. Die Arbeit an so einem edlen Teil soll und muss sehr sorgfältig in unserer Holzklinik ausgeführt werden. Dieses so genannte Hoch-Buffet möchte ich in alle Einzelteile zerlegen und wieder zusammenfügen.
Ich möchte auch nicht verhehlen, dass ich mir nicht die Gelegenheit entgehen lassen will, ein solches Stück Möbel, das die hohe Schreinerkunst mit den technischen Möglichkeiten der Zeit um 1830/40 in Frankreich vereinigt, unter meine Lupe zu nehmen“
Da in den ersten Monaten des Jahres 2021 kein Ende der Pandemie in Sicht war und wir nicht wussten, ob das Restaurant in naher Zukunft wieder seine Türen öffnen konnte, erteilten wir den Auftrag, unseren großen Schrank zu restaurieren und schickten ihn zum Möbeldoktor in die Klinik.
Die Restaurationsarbeiten im Haxenhaus gingen zügig vorwärts. Die Kölner Decke wurde generalüberholt. Im Erdgeschoss wurde die gesamte Elektroinstallation erneuert und der aus dem Kloster in Erkelenz-Immerath gerettete Fliesenteppich von einem Mosaikleger aus der Eifel neu verlegt. Ein Spezialist aus Siegen installierte eine komplett neue Theke und Getränkekühlung. Die Küche erhielt eine Generalüberholung.
Als dann alles so weit war, konnte er kommen. Wir erwarteten den Möbel-Star aus Frankreich. Unseren Schrank.
Der neue maßgefertigte Sockel stand schon seit Tagen bereit und wartete nur noch auf das prächtige Stück.
Es muss ehrlich gesagt werden. Obwohl das Restaurant in seinem neuen Kleid einen imposanten Eindruck machte, fehlte etwas. Das große Möbelstück, das uns und wahrscheinlich viele unserer Vorgänger Tag für Tag begleitet hatte, fehlte, war nicht da. Noch nicht da.
So war unsere Vorfreude und Aufregung verständlich, die uns auf den Tag hin fiebern ließ, an dem der Möbel-Patient aus der Klinik entlassen und zu uns zurückkehren würde.
Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern. Früh am Morgen des Liefertages war die gesamte Haxenhaus-Mannschaft versammelt, um die Ankunft des Transporters zu erwarten.
Der Restaurator trat wie ein Herold in den Raum, stellte sich auf die neu verlegten Kirchenplatten und verkündete mit stolz geschwellter Brust:
„Liebe Besitzer des Haxenhaus und liebe Leute! Ich möchte Ihnen mitteilen, dass es mir und meinem Mitarbeiter gelungen ist, den uns anvertrauten und sehr alten Schrank vollständig zu restaurieren.
Bei unserer Tätigkeit durften wir folgendes feststellen:
-Zu datieren ist er auf die Zeit um 1830/40.
-An mehreren Stellen ist er mit dem Schlagstempel „J. Buisson“ signiert.
-Die Ebenisten Familie Buisson stammt ursprünglich aus Clermont-Ferrand ist aber auch in Paris nachweisbar.
-Die imposante Architektur des Schrankes, sowie die ungewöhnliche Größe lässt auf Paris als Herkunft schließen.
Die wenigen kleinen beschädigten Teile haben wir mit Original-Holz, speziell importiert aus Frankreich, ersetzen können.
Der Schrank hat – obwohl er 1993 für mehrere Tage im Hochwasser gestanden hat keinerlei – Schäden davongetragen.
Ich darf Ihnen allen zu solch einem großartigen Zeuge der ebenistischen Kunst gratulieren.
Denn im gesamten18. und 19. Jahrhundert war Frankreich führend im kontinentalen Ebenisten- und Möbelschreinerhandwerk.
Für jeden deutschen Gesellen war es damals ein wichtiges Ziel, eine Zeit in Frankreich, vor allem in Paris, zu arbeiten. Einige blieben auch dort und gründeten berühmte Betriebe (z.B. Johann Franz Oeben 1722-87 und Johann Heinrich Riesner 1734-1806).
Uns, als Spezialisten, ist ein vergleichbares Möbelstück in dieser Umgebung noch nicht begegnet.
Wir werden jetzt beginnen, das Möbel zusammenzusetzen. Wir stellten bei unseren Arbeiten auch fest, dass der Schrank komplett zerlegt werden kann, wobei einzelne Teile dann immer noch ca. 300 x 70 x 20 cm groß sind.“
Baustein für Baustein des Schrankes wurde ins Restaurant gebracht und ein Teil nach dem anderen in einer ausgeklügelten Reihenfolge ineinandergesteckt.
Es dauerte mehrere Stunden. Dann thronte er wieder auf seinem Sockel. Und es fühlte sich gut an.
Er war nämlich wieder da.
Der Schrank -Unser Schrank-
Bis nächsten Freitag
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