Alles joot?
Dienstag, der 21.12.1993
Wie im Blog der letzten Woche berichtet, traf uns unerwartet die Adventsflut im Dezember 1993 und bereitete uns erhebliche Schwierigkeiten.
Hier ein kurzer Zeitablauf:
Am frühen Abend lief das erste Wasser durch die Kellerwände in den Keller.
Grundwasser trat durch den Klellerboden.
Dann war es so weit.
Das Wasser schwappt über die Spundwand um 21.53 Uhr.
Innerhalb von 30 Minuten lief der historische Gewölbekeller voll Wasser und Schlamm.
Der Strom musste abgeschaltet werden.
Dann strömte das Wasser durch die offenen Türen ins Lokal. Als die Wassermassen in das Haus geschossen kamen und ich mich mit Ach und Krach in dem kleinen Plastik-Bötchen unseres Schreiners aus dem Haus auf den gegenüberliegenden Steg retten konnte, schwante mir, dass diese Katastrophe eine Menge Ärger mit sich bringen würde. Der Pegel blieb nicht, wie erwartet, bei der 10 Metermarke stehen, sondern kletterte unaufhörlich Zentimeter um Zentimeter.
Der Leiter der Hochwasserschutzzentrale, den wir als Spezialisten um seine Einschätzung gebeten hatten, teilte uns mit, dass uns ein Jahrhundert-Hochwasser droht; und dies mit einem Kölner Pegelstand von zirka 10,60 Meter. Und damit würde das diesjährige Hochwasser sich einreihen in die Marken der Jahrhunderthochwasser wie in den alten Zeiten vorher: hier einige Beispiele:
1374 10,55 Meter Pegelhöhe
1784 13,55 Meter Pegelhöhe (der bis dato höchst bekannte Pegelstand)
1926 10,69 Meter Pegelhöhe
1948 10,41 Meter Pegelhöhe
1993 10,63 Meter Pegelhöhe
Er gab uns auch Ratschläge und Tipps, wie wir uns verhalten sollten, damit die Schäden im Haxenhaus so gering wie möglich gehalten werden könnten.
Donnerstag, 23.12.1993
Ein Tag vor Heilig Abend
Der Pegelstand hält sich bei 10,60 Meter und steigt nur noch ganz wenig. Wir hatten den Tag vorher genutzt und ein größeres Schlauchboot gekauft. Im vorweihnachtlichen Einkaufstrubel im Kaufhof hat man uns, rustikal gekleidet in Allwetterjacke, Segelpullover und Gummistiefel, ziemlich komisch angeguckt. Als wir dann noch nach der Campingabteilung und einem kräftigen Schlauchboot fragten, hat man uns geistig den Vogel gezeigt und uns hinauskomplimentiert. Wir haben dann dennoch in einem Geschäft, für Abenteuer-Ausrüstung unsere „MS Rheingarten“, so haben wir das Boot getauft, gefunden.
Da der Pegelstand viel höher war, als wir angenommen hatten, mussten wir ins Haxenhaus. Wir fuhren mit unserem neuen Boot ins Lokal, und fixierten die treibenden Gegenstände. Das Wasser stand bis zur Höhe der Holzvertäfelung, der Geldspielautomat, der neben der Theke hing, war komplett im Wasser verschwunden. Von dem Zigarettenautomaten, den wir laut Ratschlag vom Hausbesitzer auf die Fensterbank gestellt hatten, sah man nur noch die Reklameleiste. Die schweren Thekentische schwammen in der dunklen Brühe. Die alte Holzempore an der Fensterfront hatte sich aus der Verankerung gelöst und ragte schräg aus den Wellen. Die antike Schrankblende hinter der Theke war hochgestiegen, schwappte zur Buttermarkttür hin und verabschiedete sich in Richtung Rotterdam. Die aufschwimmenden Kartons mit Kölsch gläsern waren auch auf dem besten Weg, mit der Strömung abzuhauen. Wir haben dann einige Meterbretter, in denen wir normalerweise das Kölsch servieren, zusammengebunden und dann am Türrahmen als Barriere fixiert.
Erst jetzt haben wir begriffen, wie schlimm die Lage war und die Stimmung sank auf einen Tiefpunkt. Insbesondere, da niemand voraussehen konnte, wie lange das Wasser noch im Haxenhaus stehen würde.
Und um es mit den Worten des Moderators der Tagesthemen, Ulrich Wickert, zu beschreiben. Er nahm meine Antwort an den Journalisten der ARD als Einstieg in die Sendung.
Auf die Frage des Journalisten:
„Wie fühlen sie sich jetzt mit einer Adventsflut so kurz vor Weihnachten?“
Habe ich einen Tag vor Heilig Abend geantwortet:
„Das ist eine schöne Bescherung!“
Freitag, der 24.12.1993
Heilig Abend
Das Hochwasser hatte seinen Scheitelpunkt mit einer Höhe von 10,63 Meter erreicht und blieb vorerst unverändert. Wir mussten uns ganz flach in unser Boot legen, um unter dem Türrahmen der Buttermarkttür durchzukommen. Alles was wir noch retten konnten, war in die obere Etage gebracht worden. Obwohl es eigentlich lustig war, mit der „MS Rheingarten“ die Kronleuchter zu umrunden und das Restaurant aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, kam keine bessere Stimmung auf. Es war bitterkalt und die Hochwasserbrühe schwappte gegen die Holz-Wände. Aus der oberen Etage eines der Nachbarhäuser drangen Fetzen von Weihnachtsmusik zu uns in den dunklen Raum.
Als es anfing zu dunkeln, machte ich Schluss. Es konnte vor dem Sinken des Pegels sowieso nichts mehr getan werden. Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein, dass wir wegen der Aufregung um das Hochwasser noch keinen Weihnachtsbaum gekauft hatten. Ich kam hinter dem Rheinenergie-Stadion in Müngersdorf an, als der Weihnachtsbaum-Verkäufer dabei war, seine Sachen einzupacken. Er schenkte mir einen der übrig gebliebenen Bäume, eine kleine, schief gewachsene Tanne.
Die Flut hatte die Weihnachtspläne der Familie zunichtegemacht. Denn wir wollten eigentlich über Weihnachten in Urlaub gefahren sein.
Und jetzt hatten wir nur noch den krummen Tannenbaum zu schmücken und durften uns wünschen, dass es nicht noch schlimmer mit den Auswirkungen des Hochwassers kommen würde.
Wir verbrachten trotzdem einen friedlichen und geselligen Heilgenabend und vergaßen für ein paar Stunden die Adventsflut.
Bis nächsten Freitag
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