Alles joot?
Bei der Entwicklung des Haxenhauses spielt die erste Hälfte der 90er Jahre eine wichtige Rolle.
Wie schon erwähnt, lag in dieser Zeitepoche die Verleihung der Urkunde als denkmalgeschütztes Gebäude, das Entdecken der ersten urkundlich erwähnten Hausbesitzer sowie Brauereibetreiber und die Grundlagen der mittelalterlichen Festtafel, der Luoderei. Diese Festtafel hat einen so großen Erfolg, dass sogar, 30 Jahre nach der Einführung, diese noch gerne von Gruppen, Vereinen und Firmen gebucht wird.
Was uns damals in einen Schock versetzt hat, war die Jahrhundertflut im Jahr 1993, die sich im Dezember zum 30sten Mal jährt. Dieses Ereignis, hat im Haxenhaus, aber auch in der Altstadt Vieles verändert. Ich werde zu gegebener Zeit mit einem eigenen Blog darauf eingehen.
Gastronomisch betrachtet tat sich zu dieser Zeit Einiges. Eine ausgeklügelte und besonders schmackhafte Zubereitung der frischen Haxen durch unseren Küchenchef führte zu einer großen Beliebtheit bei den Besuchern. Verschiedene Schweinerassen wurden ausprobiert. Um einem nachhaltigen Ernährungsgedanken zu entsprechen legten wir das Maximalgewicht der Haxe auf 850 Gramm fest. Ein Lebensmittellabor bestätigte u.a. die Tatsache, dass die mageren Fleischanteile eine sehr geringe Kalorienzahl vorweisen. Dies im Gegensatz zu der landläufigen Annahme, dass Hausmannskost unvorteilhaft für die Figur sei. Dabei wird häufig und fälschlicherweise unsere schlanke 850gr. schwere Haxe mit dem 1½ kg. „Hämschen“(Eisbein) in den Brauhäusern verwechselt.
Wir waren in der glücklichen Lage, von unseren Lieferanten aus Deutschland und den europäischen Nachbarn mit Rezepten und Zubereitungsarten versorgt zu werden, die uns verrieten, wie in anderen Landstrichen diese Delikatesse zubereitet wurde.
Bemerkenswert ist auch die Geschichte der Schweinshaxen aus dem Kloster.
Bei der ständigen Suche nach neuen Bezugsquellen ereilte uns eine Nachricht, die sich anfangs kurios anhörte. Der Handelsvertreter einer großen belgischen Brauerei erzählte uns bei seinem Besuch im Haxenhaus von einem Kloster in den Niederlanden, in dem die Mönche einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Viehzucht und Ackerbau haben sollen. So auch eine Zucht mit Naturfutter aufgezogenen Mastschweinen.
Kurzerhand baten wir um einen Kontakt zu dem Abt des Klosters. Etwas später hatte ich einen Besuchstermin in dem Kloster, das außerhalb der Stadt, die im Süden von Limburg liegt.
Es war an einem kalten Februartag, noch früh am Morgen und die Luft hing voller Schnee, als nach einer etwas holprigen Autofahrt auf schmalen Wegen die Umrisse des Klosters von mir auftauchten.
Am Hauptgebäude angekommen, fing es an zu schneien. Meine Verabredung war auf 9:00 Uhr festgelegt und so wartete ich auf Herrn Boriees, der mich ins Kloster führen wollte. Es war ungemütlich kalt und ein böiger Wind fegte die nassen Schneeflocken um das alte Gemäuer und die kahlen Eichen. Als nach einer Viertelstunde immer noch kein Herr Boriees zu sehen war, zog ich mit Hilfe eines Seiles an der kleinen Glocke, die an der Eingangstür an Stelle einer elektrischen Klingel befestigt war. Kurz darauf waren schlurfende Schritte zu hören und die schwere Eingangstür öffnete sich.
Ein alter Mönch in brauner Kutte begrüßte mich auf Holländisch und schaute mich fragend an. Nachdem ich ihm von meiner Verabredung und meinem Wunsch, die Schweinezucht zu besuchen, erzählt hatte, bat er mich in seine kleine Pförtnerloge und bot an, bei ihm im Warmen auf den Herrn Boriees zu warten. Der kleine Raum war durch einen Bollerofen stark geheizt, auf dem Schreibtisch lag aufgeblättert das „Limburger Daagblatt“ und vom Stuhl aus hatte man einen Blick durch das Sprossenfenster auf den Platz vor dem Kloster, wo ich eben noch gewartet hatte. Der freundliche Mönch lächelte mir wortlos, jedoch freundlich zu und rief mit einem uralten schwarzen Telefon mit Wählscheibe jemanden an. Obwohl er nichts am Telefon gesagt hatte, erschien ein paar Minuten später ein anderer Mönch, der sich als Bruder Anselm vorstellte. Unter seiner braunen Kutte lugten kräftige Gummistiefel hervor. Mit einem kritischen Blick betrachtete er meine leichten Halbschuhe, bevor er mich mit einem schelmischen Lächeln bat, mit ihm die „glücklichen Schweinchen“ zu besuchen.
Wir gingen durch einen langen Gang und gelangten auf einen großen Platz, der von mehreren Scheunen und Silos umrundet war, in welchen das Futter und Stroh für die Tiere gelagert wurde. Stolz erklärte er mir, dass die ganzen Vorräte aus eigener Produktion stammten und alles streng biologisch angebaut wurde.
Über den mittlerweile schneebedeckten Platz erreichten wir den Schweinestall. Dort zeigte mir Bruder Anselm, wie warm es die kleinen und großen Schweine in ihren mit frischem Stroh ausgelegten, geräumigen Boxen hatten. Auf dem Weg zum Freigelände zeigte er mir noch Klappen in den Holztüren. Die Klappen ließen sich beidseitig bewegen, so dass die Schweine selbstständig rein- und rauslaufen konnten, wann immer sie wollten. Deshalb hatte er vorher von den „glücklichen Schweinen“ gesprochen. Durch die Nutzung der Klappen konnten die Schweine frei entscheiden, wohin sie sich bewegen wollten.
Das Freigelände für die Schweine war riesig. Es war übersät mit Schlammlöchern in der Wiese, die sich von dem Kloster bis zum schemenhaften zu sehenden Wald erstreckten.
Nachdem wir ins Kloster zurückgekehrt waren, trafen wir auf Herrn Borries, der sich entschuldigte, weil er verspätet war. Mit ihm als Inhaber des Zerlegebetriebes vereinbarte ich dann die sofortige Lieferung der Schweinshaxen aus dem Kloster nach Köln.
Seitdem finden die Gäste auf der Speisekarte im Haxenhaus.
Limburger Haxe vom Hausschwein,
die schlachtfrische Haxe aus einem Kloster wird mehrere Tage in einem Sud aus Sellerie, Rosmarin, Lorbeer und Lauch mariniert, kurz vor dem Auftragen bei intensiver Hitze gegrillt und Ihnen mit saisonalem Gemüse und Brätlingen serviert.
Im nächsten Blog sprechen wir davon, warum viele Besucher aus dem Ausland denken, dass alle Deutschen Lederhosen und Gamsbart tragen und Bier aus Krügen trinken.
Bis nächsten Freitag.